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Trinität, Glaube und Wissen


4. Die Geburt

Schauen wir uns nun einige relevante Stellen im Neuen Testament an, die von der Erscheinung des Christus auf Erden handeln.

Zunächst ist zu sagen, dass die göttliche „Triade“ und die göttliche Wandlung keine „Erfindung“ des Christentums ist, sondern älter. Sie findet sich beispielsweise in der ägyptischen Götterwelt mit Osiris, dem Sonnengott, Isis, seiner Schwester und Gemahlin und Horus, dem Sohn der Isis, empfangen durch die Begattung des bereits getöteten Osiris. Horus ist ebenfalls ein Sonnengott, möglicherweise der in Echnatons Sonnenhymnus verehrte; In der griechischen Mythologie entspricht ihm Apollon. Es gibt Parallelen in den Darstellungen der Isis mit dem Horuskind und der Madonna mit Jesus.

Dass Wesen aus geistigen Höhen auf den irdischen Menschen wirken – der Pharao trägt den Horusnamen  – wodurch der Mensch am Göttlichen teilnimmt oder teilnehmen kann (zur Freude oder zum Kummer Gottes bzw. der Götter), ist Element aller Religionen. Die Menschen nehmen aber auf unterschiedlich intensive Weise teil, denn für die Masse der Menschen ist an die Stelle des Wissens (der Hellsichtigkeit) der Glaube gerückt, wodurch sich die Bezeichnung „Gläubige“ rechtfertigt.

Wie gesagt liegt im Christentum – laut christlicher Auffassung – der Sonderfall vor, dass zu einem bestimmten, geschichtlich bestimmbaren Augenblick eine solche göttliche Kontaktaufnahme sich unmittelbar auf der Erde vollzog, indem sich Gott Jahve durch seinen Sohn physisch manifestiert hat (als Hypostase), und zwar doppelt (in Steigerung).

Die erste Manifestation trat ein mit der Geburt des Jesus durch Maria nach der Zeugung durch den (Heiligen) Geist. Maria empfing jungfräulich, d. h. das Kind nahm nicht teil an der seelischen Vererbungslinie des Vaters und der Mutter. Daher war Jesus nicht durch die Erbsünde belastet ist, sondern „ein-“ oder „einzig“geboren. Darüber hinaus gilt nach katholischer Dogmatik aber auch Maria als unbefleckt, das heißt, auch sie wird durch göttliche Gnade von der Erbsünde verschont.

Die zweite Manifestation Gottes geschah in dem Augenblick, als mit der Taufe Jesu im Jordan durch Johannes der Geist sich auf Jesus niederließ. In diesem Augenblick fand eine Wandlung statt und Jesus wurde zum Christus, zum „Gesalbten“ oder „Messias“ im Aramäischen. Dieser Name wird gewissermaßen zum Attribut des Jesus nach seiner Taufe im 30. Jahr – Jesus Christus oder auch Christus Jesus. Erst die Aufnahme des Heiligen Geistes in der Taufe führt in der Folge zur Leidensgeschichte und dem Tod Christi am Kreuz.

Hier die entsprechende Stelle im Johannesevangelium in der Übersetzung von Emil Bock (Joh. 1, 24-34).

    Und es kamen Abgesandte der Pharisäer und fragten ihn: Warum taufst Du, wenn du weder der Christus noch Elias noch der Prophet bist? Johannes antwortete: ich taufe mit Wasser. Aber schon ist in eurer Mitte der, den ihr nicht kennt, der nach mir kommt und doch vor mir gewesen ist. Er wird euch mit dem Heiligen Geiste und Feuer taufen. Ich bin zu gering, um ihm auch nur die Riemen an den Schuhen aufzulösen.

    Das geschah zu Bethanien unten am Jordan, wo Johannes taufte.

    Am nächsten Tag sieht er Jesus kommen und spricht: Siehe, Gottes Lamm, das der Welt Sünde auf sich nimmt. Er ist es, von dem ich sagte: Nach mir kommt einer, der vor mir gewesen ist, denn er ist größer als ich. Ich kannte ihn nicht, aber dazu bin ich gekommen, damit in Israel die Menschen fähig würden, die Offenbarung seines Wesens zu erleben.

    Und Johannes bezeugte: Ich habe geschaut, wie der Geist gleich einer Taube vom Himmel auf ihn herniederstieg und als sein höheres Wesen mit ihm verbunden blieb. Ich kannte ihn nicht, aber der, der mich gesandt hat, mit Wasser zu taufen, sprach zu mir: Auf wen du den Geist sich herniedersinken siehst, so dass er mit ihm verbunden bleibt, der ist es, der mit dem Heiligen Geiste tauft. Ich habe es geschaut, und so bezeuge ich, dass er der Sohn Gottes ist.

Also der Vater hat diesen Vorgang geschaut. Hat er ihn aber auch veranlasst?

In den Evangelien, Matthäus 3, 17 und Lukas 3,22, wird von der Stimme, die aus den Himmeln tönt, gesagt der „Dies ist mein geliebter Sohn, an ihm [bzw. „an dir“] habe ich Wohlgefallen gefunden.“

Die Originalstellen lauten, übersetzt durch Luther

    Matt 3, 16/17

    βαπτισθεὶς δὲ ὁ Ἰησοῦς εὐθὺς ἀνέβη ἀπὸ τοῦ ὕδατος· καὶ ἰδοὺ ἠνεῴχθησαν οἱ οὐρανοί, καὶ εἶδεν πνεῦμα θεοῦ καταβαῖνον ὡσεὶ περιστερὰν ἐρχόμενον ἐπ᾽ αὐτόν: καὶ ἰδοὺ φωνὴ ἐκ τῶν οὐρανῶν λέγουσα Οὗτός ἐστιν ὁ υἱός μου ὁ ἀγαπητός, ἐν ᾧ εὐδόκησα.

    16 Und als Jesus getauft war, stieg er alsbald herauf aus dem Wasser. Und siehe, da tat sich ihm  der Himmel auf, und er sah den Geist Gottes wie eine Taube herabfahren und über sich kommen. 17 Und siehe, eine Stimme aus dem Himmel sprach: Dies ist mein lieber Sohn, an dem ich Wohlgefallen habe

    Lukas 3, 21/22

    Ἐγένετο δὲ ἐν τῷ βαπτισθῆναι ἅπαντα τὸν λαὸν καὶ Ἰησοῦ βαπτισθέντος καὶ προσευχομένου ἀνεῳχθῆναι τὸν οὐρανὸν, καὶ καταβῆναι τὸ Πνεῦμα τὸ Ἅγιον σωματικῷ εἴδει ὡς περιστερὰν ἐπ’ αὐτόν, καὶ φωνὴν ἐξ οὐρανοῦ γενέσθαι Σὺ εἶ ὁ υἱός μου ὁ ἀγαπητός, ἐν σοὶ εὐδόκησα.

    21 Und es begab sich, als alles Volk sich taufen ließ und Jesus auch getauft worden war und betete, da tat sich der Himmel auf, 22 und der Heilige Geist fuhr hernieder auf ihn in leiblicher Gestalt wie eine Taube, und eine Stimme kam aus dem Himmel: Du bist mein lieber Sohn, an dir habe ich Wohlgefallen.

Das griechische Verb εὐδοκέω / eudokeo, das jeweils am Ende des Zitates steht, wird üblicherweise mit „Wohlgefallen finden“ übersetzt, „eu“ als „gut“ und „dokeo“ scheinen, für etwas halten. Das ist jedoch nicht die einzige mögliche Übersetzung, zumal es wörtlich heißt „in ihm habe ich wohl gefunden“. Emil Bock interpretiert diese Stelle anders und übergeht dabei auch den Vergangenheitsaspekts des Verbs (eudokesa), der eigentlich auf ein punktuelles Geschehen verweist, und übersetzt: Dies ist mein Sohn, den ich liebe, in ihm [bzw. in dir] will ich mich offenbaren.

Bocks Übersetzung bringt also zum Ausdruck, dass der Vater durch den Sohn sein Wesen gezeigt hat und weiterhin zeigen wird und bildet damit eine Brücke zum sogenannten Königspsalm im Alten Testament, dem Psalm 2,7. Er lautet in der Übersetzung der Lutherbibel 2017 nach der Septuaginta: Κύριος εἶπεν πρός με Υἱός μου εἶ σύ, ἐγὼ σήμερον γεγέννηκά σε·: Kundtun will ich den Ratschluss des HERRN. Er hat zu mir gesagt: „Du bist mein Sohn, heute habe ich dich gezeugt.“

Allerdings ist die Septuaginta hier unmissverständlich und verwendet die aktive Perfektform γεγέννηκά / gegenneka von γενναω / gennao, zeugen. Wir erkennen in der Präsensform des Verbs gennao das „Gen“, welches heute, verdinglicht, als Träger der physischen Abstammung gilt.

Warum ist der Unterschied zwischen „Wohlgefallen finden“ und „offenbaren“ wichtig?

Im ersten Fall haben wir es mit einer Betrachtung zu tun, im zweiten Fall mit einer aktiven Handlung. Das Offenbaren steht aber am Beginn der Inkubationsphase (insofern Zeugung), die drei Jahre dauert bis zum Tod des Jesus Christus als Menschen (d.h., nach drei Jahren hatte sich seine Göttlichkeit vollkommen erschöpft) und seiner Auferweckung durch den Vater. Die Auferstehung ist seine Geburt als erhöhtes Wesen, das den Heiligen Geist senden wird (im Pfingstereignis) – eine weitere Offenbarungsstufe für den Menschen.

Man kann dies so verstehen, dass das Außergeschichtliche (Göttliche, Ewige) in der Zeit mehrmals einen Neuanfang setzt. Aus der Sicht des Menschen handelt es sich bei Vater, Sohn und Heiliger Geist um verschiedene Wesenheiten, da sie zeitlich aufeinander folgen. Aus göttlicher Sicht – insofern der Mensch eine göttliche Sicht einnehmen kann – handelt es sich um eine Wesenseinheit, da Gott außerhalb der Zeit „existiert“ („existiert“ wird hier mangels eines besseren Begriffes verwendet). Die Wesenseinheit der drei „Glieder“ liegt im göttlichen „Ich“ beschlossen.

Mit anderen Worten, für den Menschen, sofern er in der Zeit lebt, fällt die Trinität als Einheit sofort wieder begrifflich auseinander.




 (E-E) Evgenij Kozlov Мадонна (Мама Сына Бога) с младенцем / Madonna (Mama vom Sohn Gottes) mit dem Kinde, Kaffee auf Papier. 96 x 70 cm, 2004

(E-E) Evgenij Kozlov
Мадонна (Мама Сына Бога) с младенцем / Madonna (Mama vom Sohn Gottes) mit dem Kinde
Kaffee auf Papier. 96 x 70 cm, 2004




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Veröffentlicht 6. Dezember 2021